„Das Kind ist, wenn wir es auf sein innerstes Wesen sehen, ein Himmelsbote. Wir können im Grunde genommen nichts anderes tun, als diesen Kräften die größtmögliche Gelegenheit geben, herauszukommen.“

– Rudolf Steiner

Das innere Kind heilen

Jeder Mensch hat zwei Persönlichkeitsaspekte – den Erwachsenen und das innere Kind. Im inneren Kind sind alle Erfahrungen und Gefühle der Kindheit unbewusst gespeichert. Zum Beispiel unbändige Freude, Liebe, Neugier, Kreativität aber auch unbewältigter Schmerz, Ängste, Verlassensein, Traurigkeit oder unbändige Wut. Das innere Kind ist ein wichtiger Botschafter all dieses Erlebten. Alice Miller bringt es auf den Punkt: „So, wie wir als Kinder behandelt wurden, behandeln wir uns während unseres ganzen restlichen Lebens.“ 

 

Kinder brauchen Liebe und Zuwendung. Sie brauchen Sicherheit und Geborgenheit. Das ist für sie überlebenswichtig. In der therapeutischen Arbeit mit dem verletzten inneren Kind geht es darum fühlend wahrzunehmen, dass man jetzt selbst in der Lage ist, dem inneren Kind die Geborgenheit, Sicherheit, Liebe und Zuwendung zu geben, derer es so dringend bedurfte. All das, was geschmerzt hat, was man sich zutiefst ersehnt hat, was aber nie in Erfüllung ging, muss wahrgenommen und betrauert werden. Dies ist ein längerer Prozess. Im Anschluss darf der Erwachsene das Vertrauen entwickeln, dass er sich seinem inneren Kind und seinen alten Schmerzen und Ängsten zuwenden kann, ohne die alte Erfahrung des Ausgeliefertseins zu wiederholen. In dieser Verbindung von innerem Kind und Erwachsenen entsteht eine gefühlte Ganzheit. Die Vergangenheit bleibt dabei unveränderbar. Verändert werden kann im therapeutischen Setting der fühlende Blick auf das Gewesene und Erlebte. Mit Veränderung des Blickes – und das ist ein großes Geschehen – wandelt sich gleichsam das innere Fühlen und das Sich-Selbst-Sehen. Heilbilder können installiert, imaginiert werden und das innere Kind darf heilen. Wo ehemals Ohnmacht, Ausgeliefertsein und Handlungsunfähigkeit gefühlt wurde, können jetzt Bilder der Sicherheit und der Handlungsfähigkeit entstehen.

Der erwachsene Anteil schaut dabei voll Mitgefühl, Achtung und Wertschätzung auf die Erfahrungen des inneren Kindes und steht ihm schützend und hilfreich zur Seite. Wer seinem inneren Kind mit Liebe zuhört und von ganzem Herzen da ist, wird die eigene Kraft der Liebe, Freiheit, Kreativität und Freude spüren. Was das innere Kind jetzt an Gutem erfährt, wird als bleibende Ressource wahrgenommen. Das ist der Moment, wenn eine gefühlte Sicherheit und Lebendigkeit ins Leben zurückkehrt. Damit kann sich das individuelle Potenzial voll entfalten.